Geschichten aus Südafrika

06.08.2021

Geschichten aus Südafrika

Strukturen, neu gegründete Firmen und Zahlen spiegeln einen Teil des Lebens der Müllers in Südafrika wieder. Doch heute soll es einfach nur um Geschichten gehen. Da sie alle sehr persönlich sind, wurden alle Namen geändert. Auch die Bilder stehen in keinem Zusammenhang mit den Geschichten.

Kean, der Überlebende

Kean ist ein junger Erwachsener, der im Township in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist. Ich (Jonny Müller) begleite ihn als Mentor schon seit über einem Jahr. Im Laufe der Zeit wuchs unsere Beziehung immer mehr und ich konnte ihn sogar in einer der Stiftungs-Firmen als Auszubildenden einstellen.

Vor Weihnachten wurde Kean jedoch im Township von einer Gang von fünf Schüssen getroffen. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hat. Nach einer Notbehandlung im Krankenhaus nahmen wir Kean bei uns zu Hause auf. Wir wollten, dass er in einer sicheren und vor allem auch sauberen Umgebung in Ruhe heilen und auch wieder zu Kräften kommen konnte.

Wir nahmen als Familie unsere Mahlzeiten zusammen mit dem jungen Mann aus dem Township ein, nahmen Wundwechsel der Schusswunden vor, führten intensive Gespräche mit ihm und brachten ihn in engeren Kontakt mit einer Kirche vor Ort. Heute sind wir alle sehr dankbar, dass Kean wieder gesund ist und wieder alleine leben kann.

Mitch, der Kämpfer

Mitch ist ein junger Mann, der in einer der Stiftungs-Firmen arbeitet. Er hat eine Freundin und zwei Kinder. Die Situation bei ihm zu Hause ist schwierig. Mitch ist ein zuverlässiger Mann und er arbeitet hart. Im letzten Jahr starb seine Mutter, vor ein paar Wochen entkam er selbst einem Schusswechsel zweier Banden nur knapp. Leider musste die Stiftung auch einen seiner Freunde entlassen. Diese Schicksalsschläge waren zu viel für den jungen Mann und er wurde krank.

Auf unsere (Jonny und Marie) konkrete Nachfrage stellte sich heraus, dass sein Geld nur noch für genau eine Mahlzeit an diesem Tag reichen würde. Als dann ein Geschäftspartner mit ihm einkaufen ging und ihm ausrichtete, dass die Stiftung für seinen Einkauf bezahlen würde, standen Mitch die Tränen in den Augen. Bei einem spontanen Besuch in seiner sehr bescheidenen Wohnung konnten wir ihn ermutigen und ihm zusprechen. Wir machten ihm klar, dass wir für ihn da sind und dass er uns etwas bedeutet - er als Person und weit über die Arbeit hinaus.

Craig - der Jungunternehmer

Craig hat eine Familie und ist fähig, etwas zu erreichen. Im letzten Jahr traf ihn die Corona-Krise hart. So hart, dass er und seine Familie sogar auf Essenspakete der Kirche angewiesen waren. Die Stiftung konnte ihn zwar zeitweise einstellen, aber aus finanziellen Gründen nicht über Weihnachten hinaus bezahlen.

In dieser Zeit entstand eine engere persönliche Beziehung zwischen ihm und mir (Jonny Müller). Craig nahm mehrere Anläufe und ich fing an, den jungen Mann dabei zu begleiten, eine eigene Firma zu gründen. Die ersten Monate waren hart, doch nun geht es langsam aufwärts. Es scheint stabiler geworden zu sein.

Craig ist dankbar, dass er sich regelmäßig mit mir treffen und austauschen kann. Und ich wiederum bin begeistert, zu sehen, was sich jeden Tag in Ocean View zum Besseren verändert.

Das alles sind starke und ermutigende Geschichten. Aber dann gibt es da auch noch die anderen Geschichten. Und davon gibt es vielleicht sogar mehr. Geschichten, die kein gutes Ende haben. Geschichten, die sich noch im Prozess befinden, bei denen noch nicht viel zu sehen ist. Und leider gibt es manchmal auch – und das ist wahrscheinlich am schwierigsten – Zeiten, in denen es gar keine Geschichten zu erzählen gibt.

Die folgende Geschichte steht daher vielleicht exemplarisch für viele andere. Sie ist irgendwie ermutigend und doch schwierig mit einem noch offenen Ende:

Kazimla - die Ermutigerin

Kazimla hat einen starken Glauben. Sie ist eine begabte Strickerin und arbeitet hart. Von außen wirkt ihr Leben stabil und sicher. Sie lebt in einem angemessenen Haus und hat eine nette Familie. Sie ist zur Ermutigerin in unserem Team geworden und die Menschen gehen zu ihr, wenn sie Hilfe brauchen.

Was von außen nicht zu sehen ist, ist ihr „netter“ Ehemann, der sich vier- bis fünfmal pro Woche bis zum Erbrechen betrinkt und seiner Frau regelmäßig sagt, dass ihm der Alkohol wichtiger sei als sie. Das löst in Kazimla viel Stress und Angst aus und führt häufiger zu einer Art von epileptischen Anfällen (obwohl sie keine Epileptikerin ist).

Es gibt kein Happy End in dieser Geschichte. Wir (Jonny und Marie) stehen ihr einfach „nur“ zur Seite und unterstützen sie so gut sie können.