Neue Regeln zum Tarifvertrag - alte Fragen

02.07.2021

Neue Regeln zum Tarifvertrag - alte Fragen

Der Tarifvertrag ist nicht gesichert, aber kommt durch die Hintertür: Krankenkassen dürfen nur noch Unternehmen beauftragen, die mindestens nach den Konditionen des geplanten Vertrags bezahlen. Über die Pläne zum Tarifvertrag durch die Hintertür haben wir bereits berichtet – heute beschäftigen wir uns mit einigen offenen Fragen, die noch nicht durch den Tarifvertrag geklärt werden, und auch mal den möglichen Nachteilen der Regelung.

Wer trägt die Risikokosten?

Es gibt in der ambulanten Pflege gewisse „Risikokosten“ – wie in vielen Dienstleistungsbereichen. Pflegedienste stellen Angestellte fest ein, zu einem festen monatlichen Lohn. Das Risiko dafür, ob genug Arbeit da ist, die vereinbarten Stunden zu füllen und das Gehalt gegenzufinanzieren, trägt der Pflegedienst.

Es stimmt, dass die meisten Pflegedienste eher zu wenig Personal als zu wenig Aufträge haben. Trotzdem ist eine Planungsunsicherheit da. Das Risiko auf Seite der Arbeitgeber ist Kern der Vereinbarung zwischen Pflegediensten und Pflegekräften: Pflegedienste verdienen an der Organisation, weil sie einen großen Teil des Risikos tragen.

Wie werden Organisationskosten berücksichtigt?

Wenn den Krankenkassen der Tarifvertrag bekannt ist, entwickeln sich schnell feste Preise, die sie bereit sind, zu zahlen: Soundso viel für die Leistung der Pflegekraft, soundso viel für den organisatorischen Aufwand. So wird die Arbeit und Vergütung weiter standardisiert.

Das kann von Vorteil sein: Pflegekräfte können sich auf eine gewisse Bezahlung verlassen und es wird schwieriger für unseriöse Pflegedienste, ihre Angestellten auszunutzen. Andererseits kommt es natürlich sehr darauf an, wie der Zusatzaufwand berechnet wird. Bisherige Standardisierungsversuche im Bereich der Pflege waren bisher eher nicht zum Vorteil von Pflegekräften oder Gepflegten: die Arbeit wird auf Tempo optimiert, nicht darauf wie gut sie den Beteiligten tut. Und eine Abweichung nach oben für Pflegkräfte wird nicht mehr zu finanzieren sein.

Pflegedienste zwischen Wirtschaft und Staat

Ein weiterer Faktor, der unberücksichtigt bleiben kann: in kleinen Pflegediensten ist der Organisationaufwand pro Patient und Pflegekraft automatisch größer. Mit anderen Worten: Je größer der Pflegedienst, je automatisierter die Abarbeitung, desto höher die Profite. Das erinnert an den Umgang mit Pflegeheimen, deren Entwicklung zu Renditeobjekten von der aktuellen Politik gestützt wird.

Pflegedienste stehen also immer mehr vor der Wahl, standardisierte Betriebe mit fixen Einnahmen und Ausgaben zu werden – oder aufzugeben. Gerade das Gründen und Betreiben von kleinen Betrieben lohnt sich in einer strikt reglementierten Welt kaum. Wenn die Gewinnspannen festgelegt sind, egal ob kleiner Betrieb oder deutschlandweite Kette, gibt es keine Entscheidungsfreiheit dazu, wie viel ein Betrieb leisten kann oder will – Pflege lohnt sich erst ab einer Patientenzahl von X, betreut durch eine Pflegekraftanzahl von Y.

Das kann eine neue bedenkliche Entwicklung einläuten!