Sexuelle Belästigung in der Pflege: Was tun?

06.05.2022

Sexuelle Belästigung in der Pflege: Was tun?

Das Thema sexueller Belästigung in der Pflege ist nach einem Beitrag im ARD Mittagsmagazin zum Thema, in dem auch Pflegebeauftragte Claudia Moll zu Gast war, im letzten Monat wieder verstärkt in den Fokus gerückt.

Wir auch schon im Original-Beitrag und dem Interview mit Frau Moll angesprochen, ist das Thema aber sicherlich nicht neu. Die Belästigung von Pflegekräften durch Gepflegte (aber auch andere Pflegekräfte oder Vorgesetzte) ist kein neues Problem, sondern ein „etabliertes“. Wie lässt sich nun also konkret etwas dagegen tun? Neben mehr Personal in der Pflege (mehr Zeit, um die notwendigen Gespräche zu führen), wie Frau Moll vorschlägt, müssen auch Hilfsstrategien entwickelt und bekannt gemacht werden.

Vom Tabubruch zur Lösung: Der erste Schritt

Wir stehen - trotz „Mee ,too“-Bewegung immer noch am Anfang einer Entwicklung, in der Betroffene sexueller Belästigung oder sexualisierter Gewalt offen über ihre Erfahrungen sprechen können, ohne dass deren Bewertung „ausgehandelt“ werden muss. Erst langsam setzt sich das Verständnis durch, dass bei keiner Form von Belästigung oder Gewalt die Absicht des Gegenübers entscheidet, sondern die Empfindung der betroffenen Person.

Wie sich die Perspektive auf Belästigung ändert

Ein „dummer Spruch“ darf nicht wiederholt werden, wenn jemand ihn sich für die Zukunft verbietet. Berührungen sollten nach dem „erst nach einem Ja“-Schema erfolgen und nicht „bis zum Nein“. All diese Konzepte beinhalten, auch Personen zu respektieren, die schwächer wirken oder sind oder die aus alten Perspektiven gedacht weniger „Respekt verdienen“.

Außerdem setzt sich langsam ein Verständnis dafür durch, dass emotionale Verletzungen, der Stress durch wiederkehrende Unsicherheit oder die traumatische Erfahrung einer Bedrohungssituation real sind und weder von Kriegsveteranen noch denjenigen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, „aufgebauscht“ werden.

„Grenzüberschreitung“ in der Pflege

In der Pflege kommen hier noch weitere Punkte hinzu. Die Hilfe bei Alltagstätigkeiten, der Besuch im Zuhause und auch die medizinische Pflege bedeuten alle, dass Grenzen überschritten werden müssen, die sonst gelten. Manche Menschen verlieren in so einer Situation ihre soziale Orientierung und glauben, dass „normale Regeln nicht gelten“. Einige wenige nutzen solche „Unsicherheiten“ auch bewusst aus.

Aber was ist mit …

Eine weitere wichtige Besonderheit in der Pflege ist auch, dass viele pflegebedürftige Menschen (sicher nicht alle!) neben körperlichen auch geistige und emotionale Einschränkungen haben. Einige Strategien, die beispielsweise bei der Arbeit in Büros oder Fabriken gelten, können nicht einfach auf demenzkranke Menschen übertragen werden.

Hier muss also manchmal die Unterstützung von Betroffenen organisiert werden, ohne dass das Problem selbst abgestellt werden kann. Dabei gilt es auch, sich immer wieder zu erinnern, dass eine Verletzung real sein kann, obwohl sie nicht als Verletzung gemeint war. Schlägt eine demenzkranke Person wütend um sich, sind alle blauen Flecken oder Prellungen ja auch nicht automatisch verheilt, weil sie „nicht so gemeint“ waren.

Der zweite Schritt: Hilfen etablieren und bekannt machen

Durch die Diskussion angestoßen sollten alle Unternehmen in der Pflege (aber sicher auch viele andere) noch einmal einen Blick darauf werden, welche Hilfsstrukturen etabliert sind und wie bekannt sie im Unternehmen sind.

In einem Interview mit der Ärztezeitung zu Unterstützungsstrukturen bei sexueller Belästigung oder Gewalt im Klinikalltag stellt die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité in Berlin, Frau Kurmeyer, mögliche Strategien vor und bespricht auch einige ganz konkrete Problembeispiele und -lösungen.

Die sollten alle Unternehmen – gerade in der Pflege – auch festhalten und allen Beschäftigten zur Verfügung stellen.

Eine Kurzfassung für den Notfall:

  • Zeugen hinzuziehen, so früh es irgendwie geht. Nach einem Vorfall am besten sofort ein Gedächtnisprotokoll anlegen und alle wichtigen Fakten festhalten. Bei einem regelmäßigen Problem, das „nur in der Summe“ belastet, mehrere Vorkommen festhalten.
  • Bei Vorgesetzen, Gleichstellungsbeauftragten oder anderen passenden Anlaufstellen im Unternehmen vorbeigehen, anrufen oder sie anschreiben. Wer sich allein unwohl fühlt, kann auch erst einmal eine Kollegin oder einen Kollegen um Beistand bitten.

Je nach Situation gibt es unterschiedliche nächste Schritte. Viele Grenzüberschreitungen können „abgestellt“ werden, indem man das Problem deutlich macht. Wenn möglich, sollte das die betroffene Person selbst machen – so kann sie sich aus der ohnmächtigen Position befreien.

In anderen Fällen, gerade wenn in der Pflege der Problembereich berührt wird, in dem ein Täter oder eine Täterin vielleicht gar nicht genau wissen, was sie tun, müssen auch gemeinsam sinnvolle Strategien und Lösungen entwickelt werden, wie mit einer Wiederholung umgegangen wird.

Es ist aber nie die Pflicht eines „Opfers“, persönlich für die Rehabilitation eines Angreifers oder einer Angreiferin zu sorgen. Eine Aussprache kann auch begleitet oder von einer Führungskraft oder geschulten Person übernommen werden.

Ansprechpartner im Born Gesundheitsnetzwerk

Für den gesamten ambulanten Bereich ist Frau Hullermann unsere erste Ansprechpartnerin. Als Coach und Supervisorin für alle Pflege- und Hauswirtschaftskräfte bietet sie Beratung und Unterstützung auch in schwierigen Situationen an.

Im Intensivpflegebereich gibt es naturgemäß seltener problematische Situationen mit Patienten. Aber auch im Gespräch mit Angehörigen oder Kollegen kann es zu Grenzüberschreitungen kommen. Auch in diesen Fällen muss niemand zögern, sich zu melden und um ein Gespräch, Hilfe oder Unterstützung zu bitten.

Bei Problemen steht auch Frau Born selbst als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

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