Doch ernst? Finanzierungskrise in der Pflege

21.04.2023

Doch ernst? Finanzierungskrise in der Pflege

Schon letztes Jahr haben wir davon berichtet, wie die schlecht ausgewogene Erhöhung der Gehälter in der Pflege gegenüber der nicht schnell genug angepassten Leistungen der Krankenkassen viele Pflegedienste in die „logische“ Schieflage gebracht hat. Aber so langsam kommt die Krise auch bei denjenigen an, die tatsächlich bisher am wenigsten unter allen Krisen und Problemen der Pflege gelitten haben: Großinvestoren fangen an, sich laut Sorgen zu machen.

Auch der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), Bernd Meurer, äußert sich in Interviews besorgt zu den Auswirkungen von Inflation, GVWG und der Pflegereform im Allgemeinen.

Welche Aspekte beeinflussen die Finanzierbarkeit von Pflege aktuell?

Die Finanzierungsprobleme in der Pflege sind wie erwähnt nicht neu – die Erhöhung der Gehälter in der Pflege hat nicht einfach auf sich warten lassen, weil Pflegedienste – in privater oder gemeinnütziger/öffentlicher Hand – nicht mehr zahlen wollten.

Das ist auch nicht unlogisch: die Kosten werden (zum Teil) von den Pflegekassen getragen, also den aktuellen Beitragszahlungen. Die sinken im Verhältnis zu den aktuell Pflegebedürftigen unter anderem durch den demografischen Wandel.

Weil die Einnahmen aus dieser Quelle weniger werden, steigen die Anforderungen, die Einnahmen aus anderen Quellen – privater Finanzierung – zu steigern. Oder Kosten zu sparen, durch geringere Bezahlung, höhere Anforderungen an die Arbeit, die pro Zeit erledigt werden muss, das Zusammenlegen von mehreren Patient*innen zu leichter versorgbaren „Einheiten“ und so weiter.

Bislang konnten damit teilweise immer noch enorme Gewinne in der privaten Pflege erzielt werden, beispielsweise durch zusätzliche Einnahmen durch Immobilienvermarktung und die ungedeckelten Einnahmemöglichkeiten für die Vermietung von Räumen in Pflegeheimen. Jetzt gibt es aber weitere Faktoren, die die Kostenseite verändern: Personalmangel und zusätzliche Belastungen als Folge der Coronapandemie, steigende Energiekosten und allgemein steigende Kosten durch die Inflation.

Denn Angehörige und Pflegebedürftige sind nicht im gleichen Maß vermögender geworden, wie jetzt die Zusatzkosten der Pflege steigen müssten, um die Gewinne konstant zu halten.

Eine enorme Bedrohung für Pflegedienste im Allgemeinen

Neben den Großinvestoren und Riesenunternehmen gibt es aber Auswirkungen in allen Feldern der Pflege. Nach einer Kurzumfrage des bpa im Anfang März sahen 70 % der befragten Pflegedienste und -einrichtungen ihre Existenz gefährdet – nach eigener Einschätzung oder nach Hinweisen ihres Steuerberaters.

An den oben genannten Stellschrauben – Personalkosten, Energiekosten, Inflationsbelastung – lässt sich auf der Ausgaben-Seite nichts mehr drehen. Weder für Pflegedienste, die individuelle ambulante Pflege leisten, noch für Versorger in Heimen. Also muss sich etwas an den Einnahmen ändern.

Die wiederum können auch nicht immer weiter aus privaten Mitteln gedeckt werden. Stattdessen müssen also die Zahlungen aus den Pflegekassen steigen – und damit die Ausgaben für alle, die in die Kranken/Pflegekassen einzahlen, statt nur für diejenigen, die jetzt (schon) betroffen sind.

Meurer sagt dazu auch: „Die Leidtragenden sind Pflegebedürftige und ihre Familien, die längst nicht mehr selbstverständlich die Versorgung finden, die sie benötigen.“