Widerspruch gegen Pflegegrad-Entscheid

09.10.2020

Widerspruch gegen Pflegegrad-Entscheid

Was tun, wenn der Pflegegrad abgelehnt wurde?

Wenn der neue Pflegegrad nach der Einstufung durch den medizinischen Dienst abgelehnt wurde, ist das kein Grund, aufzugeben. Durch einen Widerspruch lässt sich oft etwas erreichen.

Post von der Pflegekasse: Antrag abgelehnt

Nach der Begutachtung durch den medizinischen Dienst leitet dieser sein Gutachten an die Pflegekasse weiter. Die entscheidet dann über den Antrag zur Einstufung in eine (höhere) Pflegestufe. Wird der Antrag angenommen, bewilligt die Pflegekasse (rückwirkend) Leistungen für die Pflege.

Wird der Antrag abgelehnt, erhalten Sie diesen Bescheid mit der Post. Darin muss auch die Pflegekasse Sie darauf hinweisen, dass Sie Widerspruch einlegen können. Sie haben dafür einen Monat ab Zugang des Antrags Zeit – wenn kein Hinweis im Brief steht, verlängert sich die Frist sogar auf ein Jahr.

Wann lohnt der Widerspruch gegen die Pflegegrad-Entscheidung?

Der Widerspruch gegen die Pflegegrad-Entscheidung kann sich in sehr vielen Fällen lohnen:

· Der Gutachter oder die Gutachterin des medizinischen Diensts hat etwas nicht oder falsch aufgeschrieben.

· Am Besuchstag ging es der pflegebedürftigen Person (oder ihren Pflegekräften) besonders gut und die Situation schien besser als sie durchschnittlich ist.

· Am Besuchstag ging es Ihnen schlecht und Sie haben vergessen, etwas Wichtiges zu erwähnen.

· In der Zwischenzeit sind weitere Probleme hinzugekommen.

· Im Gutachten wir etwas als harmlos bewertet, das Sie als belastend empfinden.

· Im Gutachten fehlen Hinweise auf Arbeitsschritte oder Hilfsmittel.

Sprechen Sie für einen Widerspruch mit allen, die an der Pflege beteiligt sind und gleichen Sie den beschriebenen Aufwand mit der tatsächlichen Pflege ab. Auch die Mitarbeiter eines Pflegedienst können Ihnen dabei helfen.

Wie muss der Widerspruch gegen die Ablehnung aussehen?

Im Widerspruchsschreiben sollten Sie auf jeden Fall den Namen und die Versicherungsnummer der Person angeben, die den Pflegegrad beantragt hat (also die pflegebedürftige Person selbst). Dazu gehört ein klarer Satz über Ihr Anliegen:

„Hiermit lege ich Widerspruch gegen Ihren Bescheid vom 12.08.2020 mit Aktenzeichen OF/2918 ein. Eine ausführliche Begründung reiche ich in Kürze nach.“

Außerdem sollten Sie sich den Eingang bestätigen lassen. Da geht per Eingangsbestätigung, wenn Sie das Schreiben persönlich abgeben (lassen Sie sich den Eingang unbedingt schriftlich bestätigen!) oder, indem Sie am Ende ihres Schreibens um eine Bestätigung bitten: „Bitte bestätigen Sie mir schriftlich den Eingang meines Widerspruchs.“

Wenn Sie kurz vor der Frist sind, sollten Sie versuchen, den Widerspruch persönlich abzugeben und sich den Erhalt bestätigen lassen. Oder Sie bezahlen für den Versand als Einschreiben, damit Sie einen Nachweis haben, dass Sie die Frist eingehalten haben.

Wichtig: Wenn das Gutachten nicht mitgeschickt wurde, lassen Sie es sich unbedingt schicken!

Wie schreibt man die Begründung zum Widerspruch gegen den Pflegegrad?

Die Begründung zum Widerspruch gegen den Pflegegrad können Sie als Liste von Stichpunkten verfassen. Dazu schreiben Sie zu jedem Punkt, der Ihrer Ansicht nach falsch dargestellt wird oder falsch verstanden wurde, eine kurze Begründung. Dazu gehören auch Punkte, die sich in der Zwischenzeit geändert haben.

Das können Sie auch aus der Perspektive eines pflegenden Angehörigen formulieren.

Ein paar Beispiele:

„Zur Fähigkeit, sich selbst Essen zuzubereiten: Beim Besuch des Gutachters behauptete meine Mutter, sie könne selbst Essen zubereiten und würde sich selbst versorgen. Das stimmt nicht. Tatsächlich hat sie Schwierigkeiten, sich Essen zu machen. Sie traut sich nicht mehr, allein zu kochen, weil sie häufig Arbeitsschritte vergisst. Ich helfe ihr beim Essen machen oder bereite allein Essen für sie vor, das wir gemeinsam aufwärmen.“

„Zum Zeitpunkt des Besuchs durch den medizinischen Dienst ging es mir sehr gut. Die Entzündung in meinen Gelenken war außergewöhnlich unauffällig. Nach meinem letzten Schub kann ich jetzt mit der linken Hand kaum noch greifen und beispielsweise keine Teller tragen.“

„Im Bericht wird nicht aufgelistet, dass der Pflegedienst Lazarus, der mich zweimal am Tag besucht, mir auch Insulin verabreicht.“

Gehen Sie sorgfältig jeden Punkt im Gutachten durch und notieren Sie, was Sie anders sehen oder bemängeln.

Keine Angst vorm Widerspruch

Sie brauchen keine Angst davor haben, Widerspruch gegen eine Pflegegrad-Entscheidung einzulegen. Wichtig ist, dass Sie die Gründe für Ihren Widerspruch auflisten können.

Wenn die Pflegekasse den Widerspruch gelesen hat, gibt es einen weiteren Termin mit dem medizinischen Dienst. Ein anderer Gutachter oder eine andere Gutachterin kommt dann, um die Situation unabhängig neu zu beurteilen. So einen Termin hatten Sie ja schon einmal und wissen, was auf Sie zukommt. Denken Sie wieder unbedingt daran, dass neben der pflegebedürftigen Person auch pflegende Angehörige oder jemand vom betreuenden Pflegedienst anwesend sind.

Wenn das neue Gutachten besser für Sie ausfällt, wird der Beschluss korrigiert und Sie erhalten rückwirkend alle Leistungen von der Pflegekasse. Wird der Bescheid abgelehnt, können Sie entscheiden: Entweder, Sie warten noch etwas und stellen dann einen neuen Antrag. Oder Sie lassen sich von einem Anwalt dazu beraten, ob eine Klage vor dem Sozialgericht sinnvoll ist.

So oder so kann sich die Pflegekasse nicht bei Ihnen rächen oder Ihnen zur „Strafe“ Pflegeleistungen streichen: Was Sie bereits bekommen, behalten Sie auch.